Von der unwissenden Nebelkappe- zum Pilz-Champi(gn)on
Auch wenn es euch bestimmt zu den Ohren herauskommt: wer Pilze ohne 100%tige Kenntnis verzehrt spielt mit seiner Gesundheit und seinem Leben. Vergleicht das einfach mit dem Blick in einen Gewehrlauf. Wenn ihr wisst, dass sich keine Patrone im Lager befindet, ist das völlig ungefährlich. Aber wenn ihr nur glaubt, dass keine Patrone im Lager liegt, weil ein anderes Gewehr das so ähnlich aussah auch keine Patrone hatte, dann ist das lebensmüde.
Ich habe mich schon immer für Pilze interessiert – allerdings fehlte mir jeglicher Experte in meinem Umfeld. So wie mir geht es vielen Leuten, die ich beim Sammeln treffe. „Wenn man sich doch nur auskennen würde…“. Leicht ist es tatsächlich nicht. Zwar hatten wir daheim Pilzbücher, aber ich musste schnell ernüchtert feststellen, dass die meisten Funde darüber nicht zu identifizieren waren. Das lag zum einen an fehlenden Bestimmungsschlüsseln im Buch und zum anderen an mangelhafter Herangehensweise von meiner Seite. Selbst wenn sie verzeichnet waren, konnten einzelne zerknautschte Exemplare schlecht anhand von Bildern abgeglichen werden.
Der erste Schritt, der mich wirklich weiterbrachte, war die Fruchtkörper am Fundort zu fotografieren. Selbst mit meiner damals furchtbar schlechten Digitalkamera war es um ein vielfaches leichter die Pilze im natürlichen Habitat zu erkennen. Das Substrat, die Lichtverhältnisse, die unbeschadete Oberfläche… Alles das machte es wesentlich einfacher mit Fotos aus Büchern und Internet abzugleichen.
Da wäre man schon beim zweiten Tipp. Ich registrierte mich auf einem Pilzforum. Das erfüllt mehrere Funktionen. Zum einen lassen sich fotografierte Pilze mit Hilfe der dort angemeldeten Experten mit gewisser Restunsicherheit identifizieren. Zum anderen bieten die Bilder anderer Leute massenhaft Gelegenheit seine Kenntnisse anzuwenden. Zuletzt lernt man dort strukturiert die Pilzmerkmale niederzuschreiben, weil einem die Forenmitglieder dazu auffordern. Zu einer Pilzbeschreibung gehört nicht nur ein Bild, sondern auch eine Beschreibung von Form und Struktur. Z.B. „überfaserter Stiel“ oder „herablaufende Lamellen“. Auch unsichtbare Merkmale wie Geruch, Bodentyp, Baumgesellschaften etc. können der entscheidende Hinweis sein.
Ein Pilz existiert selten alleine, er ist in einer Familie, die mit einem lateinischen Namen bezeichnet wird. Oft lassen sich bestimmte Eigenschaften über die gesamte Familie hinweg finden. So sind die Russula, die Täublinge, durch brüchiges Fleisch und bonbonfarben gut als Russula erkennbar, wobei die je nach Sonnenlicht und Standort die Hutfarbe bei der selben Art eine große Bandbreite hat. Nichtsdestoweniger sind Russula niemals gefährlich giftig. Es hat also viele Vorteile die Familien in Deutscher und Lateinischer Sprache zu lernen. Tipp drei.
In einem guten Buch findet man dann z.B. am Lateinischen Namensregister ruckzuck alle Angehörigen – denn die Pilze beginnen immer mit ihrem Familiennamen. Boletus edulis, Boletus rubescens, etc. Steinpilz und Flockenstieliger Hexenröhrling wären weniger einfach in ihre Familien einzuordnen. Desweiteren zeichnet sich ein gutes Buch durch viele Pilzarten und einen guten Bestimmungsschlüssel aus. Ich empfehle 1700 Pilze von 123pilze.de. Exakt das selbe Buch gibt es auch als App. Diese ist transportabler und die Suchfunktion komfortabler. Ungenauer ist sie auf keinen Fall.
Damit kommen wir zum letzten Tipp: üben, üben, üben. Nur in freier Natur lernt ihr die Pilze zu bestimmen. Das ist im ganzen Jahr möglich, ausgenommen extreme Trockenheit oder starker Frost. Ihr habt euer Handy immer dabei, und solltet bei jedem Waldspaziergang die Gelegenheit nutzen ein paar Arten zu bestimmen. Ja, es gibt blöde Blicke, wenn man sich im Anzug auf dem Weg ins Büro über ein paar Hexenröhrlinge bückt. 🙂